Bausteine für gutes Licht – variierende Lichtintensität
Falsches Licht im Restaurant
Ich gehe regelmäßig in ein Restaurant, das ich fast als mein Lieblingsrestaurant bezeichnen würde. Ein exzellenter Koch, herzliches Personal, angenehme Gäste, hervorragende Qualität. Der Fisch ist perfekt. Aber leider ist das Steak nie wirklich medium. Irgendwie hat mir das keine Ruhe gelassen und ich wollte rausbekommen, warum dieses brillante Restaurant bei diesem einfachen Klassiker so schwächelt. Die Antwort des Chefs de Cuisine war selbst für mich als Lichtplaner überraschend: „Wenn wir medium servieren, denken unsere Gäste immer, es wäre noch roh. Dabei liegt das nur am Licht, nicht an der Kerntemperatur.“
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Jeder Supermarkt inszeniert in seiner Theke noch die bleichste Wurst in saftigsten Farben, so dass man enttäuscht ist, wenn man sie am Abend aus dem eigenen Kühlschrank holt. Aber ein Sternerestaurant serviert lieber das Essen nicht À point als auf das Schummerlicht zu verzichten!
Die Ursache liegt wie so oft in der Tradition und hängt mit unseren kulturellen Codes zusammen – gedämpftes Licht zählt als gemütlich. An hellem Licht haftet dagegen der Kantinengeschmack. Dazwischen gibt es aber eine Lichtwelt, die es für viele erst noch zu entdecken gilt. Das Stichwort heißt hier Lichtdramaturgie – warum nicht zur Hauptzeit anderes Licht im Restaurant reichen wie zum Aperitif?
Das Gegenbeispiel: Licht in Hotels
Light sells – das sagte mir ein Hotelier. Er hat für sich die differenzierte Beleuchtung entdeckt und bietet seinen Gästen zu verschiedenen Tageszeiten und Lebenssituation andere Lichtqualitäten. Wenn ihm Gäste sagen, dass es ihnen nirgendwo besser ginge als hier, weil sie tief und fest schlafen können und morgens schnell fit werden, führen sie das oft auf gemütliche Betten und die ruhige Lage zurück. Er klärt sie dann liebend gerne auf: „Wir legen Wert auf ihren Tagesrhythmus – deswegen haben wir eine Lichtanlage verbaut, die ihnen die perfekte Dosis vom richtigen Licht verpasst, egal, ob es Morgen oder Abend ist.“ So hat er treue Gäste an sich gebunden. „Weiche Betten und eine volle Minibar kann jeder, gutes Licht“, so sagt er immer, „kann nur ich.“
Dieses Hotel ist für mich ein echter Vorreiter von gutem Licht. Es zeigt, wie viel sich lediglich mit einer Variation von Lichtintensitäten erreichen lässt. Das Personal profitiert davon und die Gäste nehmen Licht bewusst als großen Pluspunkt in der Ausstattung wahr – dabei nimmt es ja nur einen verschwindend geringen Kostenpunkt im Lebenszyklus eines Hotels ein.
Die größte Energiekraft der Erde
Wie ich schon mehrfach erwähnt habe, liegt das größte Potential von gutem Licht darin, dass es unsichtbar ist. Schlechtes Kunstlicht erkennt man zwangsläufig daran, dass es blendet. Gutes Licht dagegen ist immer blendfrei, es wird so geleitet, dass seine Quelle kaum einsehbar ist und dabei die Oberflächen des Raums perfekt ausnutzt. Der Lichtplaner Kai Piippoo hat kürzlich gesagt, Licht sei die größte Energiekraft der Erde „und stell dir vor, du kannst tatsächlich mit dieser Kraft arbeiten und sie formen“! Das ist keine Vision, sondern ein Arbeitsauftrag. Licht formen, das heißt für mich, der Architektur, den Gegebenheiten vor Ort und den Menschen, die dort wohnen, zu folgen. Licht formen, das bedeutet keine Abfolge von Hell und Dunkel, sondern eine spezifische und individuelle Charakteristik und Atmosphäre für einen gesamten Raum zu schaffen.
Blendfrei, steuerbar, dimmbar
Das gelingt über die richtige Platzierung und Auswahl der Leuchten und darüber, dass sie ansteuerbar sind. Ich kann mit ein und derselben Leuchte verschiedene Situationen, ja Welten schaffen. Dank der kleinteiligen LED-Technik kann ich heute mehrere Lichtqualitäten verbauen, sie zu verschiedenen Zeiten und Anlässen einsetzen. Die Menschen sind hier nicht den Grenzen der einmal gewählten Leuchtmittel ausgesetzt, im Gegenteil, das Licht kann immer wieder neu für ihre Bedürfnisse geformt und abgestimmt werden. Gutes Licht ist intelligent, weil es aktiv auf den menschlichen Tagesrhythmus reagiert. Technisch gesehen ist das einfach denkbar über verschiedene Lichtschalter, für heute attraktiver: über Smart Devices.
Gutes Licht ist also blendfrei, steuerbar und – was ein dritter Aspekt ist – dimmbar. Die Glühbirne konnte man früher sehr einfach dimmen, bis hin zu dem sichtbaren glühenden Wolframfaden. Das hat sich mit den LEDs verändert. Was uns häufig als dimmbare Technik verkauft wird, hinterlässt nur einen unangenehmen Flackereffekt.
Das passende Licht für jede Situation
Die Bausteine von guter Beleuchtung richten sich alle an den Bedürfnissen der Menschen aus. Wir brauchen unterschiedliche Lichtintensitäten und -qualitäten und wollen zu keiner Zeit blendendem Licht ausgesetzt werden. Wer das beherzigt, wird einen guten Start bei der Raumbeleuchtung hinlegen. Warum es sich lohnt, diesen Ansatz bis hin zur Kunst zu verfeinern, um echt lebenswerte Lichträume zu schaffen, habe ich in den folgenden Kapiteln aufgeführt. Hier wird deutlich, für was Kai Piippoo starke Worte gefunden hat: „Beleuchtung ist so entscheidend für das Leben der Menschen.“ Entscheidend – das bedeutet für mich, dass Licht über die Entfaltung unserer Potentiale in Kindheit, Beruf und Alter mitentscheidet. Erfahren Sie in unserem Beitrag über die Faszination des Lichts mehr darüber, welche Magie hinter Licht und Dunkel steckt.
Und – wie die Geschichte aus meinem (fast) Lieblingsrestaurant zeigt – Licht bestimmt selbst, wie unser Mittagessen schmeckt.