Die Faszination Licht – eine wahre Magie

Ein Bild einer Hand, welche einem hellen Spalt, aus dem Licht austritt, entgegengestreckt wird.

Die Faszination Licht – eine wahre Magie

Wie Licht und Dunkel meine Welt geprägt hat

Dass Essen von der UNESCO als Kulturhauptstadt ausgezeichnet wurde und Pioniere der urbanen Kunst und des Designs ausgerechnet in den dortigen Industriebrachen ausstellen und arbeiten, ist sicher kein Zufall. Jeder Besucher wird fasziniert sein von dieser spezifischen Ästhetik, die sich dort von einer jüngst untergangenen Kultur erhalten hat. Heute ist es die zumeist zweckmäßige, inzwischen aber verfremdet genutzte Architektur, früher – als der Industriebau letztlich noch selbstverständlich war – waren wir alle eingenommen von der nicht nachahmbaren Lichtdramaturgie.


Grüße aus dem Ruhrgebiet

Keines der vielen Lichtfestivals und keine Spezialmesse wird uns noch einmal vor Augen führen können, was damals etwa in meiner Geburtsstadt Gladbeck zu sehen war. Ich lernte kaum vorstellbare Lichtextreme zwischen Helligkeit und einer tausend Meter tiefen Dunkelheit kennen – alles vom Menschen erzeugt. Sicher nicht, um uns mit einem ästhetischen Erlebnis zu bereichern, sondern aus industrieller Notwendigkeit. Aber es waren doch die zentralen Eindrücke, die ganze Generationen von Grubenkinder auf der Netzhaut geblieben sind.

Wer das alte Ruhrgebiet der Sechziger- und Siebzigerjahre selbst gesehen hat, dem brauche ich nicht viel erzählen. Aber die spektakulären Lichtinszenierungen, die sich dort abspielten, muss man heute neu bewerten: Vielleicht ist das Kunstlicht des Ruhrgebiets, auch wenn es Zufall sein mag, die vollkommene Lichtkunst gewesen – ganz sicher ist: Das Ruhrgebiet war ein wahrer Lichtmagier.

Licht macht den Unterschied. Das wurde mir damals bewusst. Egal, wo wir uns aufhalten, die Welt und wie wir sie wahrnehmen, wird vor allem durch eines manipuliert – Licht.


Das alltägliche Lichtspektakel

Bis vor wenigen Jahren war der Himmel über dem Ruhrgebiet fast immer bedeckt. Auch ein sonniger Tag im August konnte einem vorkommen wie ein diesiger Herbsttag. Der Lebensmittelpunkt meiner Familie war die Zeche Graf Moltke. Dort förderte man Kohle für die Eisenproduktion und der Kohlebau hatte nach fast 100 Jahren die gesamte Gegend verändert: Winters fuhren wir Schlitten an künstlichen Kohlelandschaften, die von Natur aus eigentlich flach waren.

Unser regelmäßiges Highlight war aber der Abstich: Wenn der Hochofen geöffnet wurde und das Roheisen ausfloss, saßen wir Grubenkinder auf dem Balkon und sahen zu, wie sich der Himmel verwandelte – mit den ersten Eisenflüssen entwickelte sich ein kräftiges Orange. Man hätte meinen können, da gehe eine zweite Sonne auf. Aber es war nur die Stahlindustrie, die in diese emissionskranke, schmutzige Luft so unglaublich viel Staub, Licht und Energie pumpte, dass der Himmel ein anderer wurde. Wie vielen anderen, die im Ruhrgebiet aufgewachsen sind, blieb mir der Geruch im Sinn und der Dreck: Kohleverbrennung und Koksherstellung erzeugten eine Feinstaubatmosphäre, mit der keine Großstadt heute konkurrieren kann – auch nicht die schmutzigste Ecke von Stuttgart.


Nur Kunst war schöner

Vor allem blieb mir aber das Licht in Erinnerung. Ich könnte heute noch den Orangeton auf einem Farbfächer zeigen. Seitdem habe ich keine größere und stärkere Lichtinstallation gesehen. Nur vergleichbar waren diese Abendstimmungen mit den berühmten Gemälden von Wiliam Turner (1815–1851). Er malte 1815 die grandiosesten Sonnenuntergänge, in denen die intensivsten Rottöne mischten.
Als ich seine Bilder kennenlernte und mich mit ihm beschäftigte, stieß ich gleich auf den Zusammenhang, in der seine Kunst steht. Es war keine verklärende und romantische Interpretation einer viel kälteren Gegenwart – Turner malte nur das, was er sah – wenn auch mit allergrößter Brillanz. Früher waren die Sonnenuntergänge nämlich tatsächlich schöner: Damals war der Tambora-Vulkan auf der Insel Sumbawa (Indonesien) ausgebrochen und diese größte aller Eruptionen verdunkelte den Himmel und schleuderte seinen Staub über die gesamte Erde. Die Folge waren Himmelstönungen in allen Farbvarianten.

Die Sonnenuntergänge, wie wir sie von Turner kennen, leuchten aber nur halb so stark und schön wie ein ganz normaler und alltäglicher Abstich in Duisburg oder Bochum. Dazwischen standen die brennenden Schornsteine, mit denen man schwer entflammbare Gase vernichtete. Wie riesige Fackeln sahen sie aus.


Kein Licht ohne Dunkel

Das Ruhrgebiet steht auch für das andere Extrem – die unglaubliche Dunkelheit, wie es sie nur im Bergbau gibt. Mein Vater, ein Bergbauingenieur der alten Schule, nahm mich einmal als Sechzehnjähriger mit unter Tage. Und dort habe ich diese unglaubliche Dunkelheit wahrgenommen, wie sie nur 1.000 Meter jenseits der Oberfläche erlebt werden kann.

Wir fuhren mit dem Fahrkorb runter, liefen eine ganze Weile, wurden auf Förderbändern transportiert, bis wir am Abbaubereich ankamen. Dann ging die Arbeit los: Ein Hobel fuhr unter gewaltigem Krach den Flöz entlang. Damit der Berg nicht einstürzte, platzierten die Kumpels Stempel unter dem abgebauten Bereich, die ihn mit Wasserdruck stützten. Brandgefährlich war diese Arbeit und knochenhart, 50 Kilo-Pakete transportierten die Männer aufs Förderband. Das alles bei 40 Grad, ohne jedes Wetter und bei hoher Luftfeuchtigkeit.

Extreme Bedingungen waren das zwischen Lärm, Hitze und vor allem Dunkelheit: Alles war hundertprozentig abhängig vom Licht, nur gab es keines. Da waren die speziellen Beleuchtungen und Grubenlichter mit großen Akkupacks, aber die Dunkelheit unter Tage blieb allerorts spürbar. Das Ruhrgebiet hatte den Himmel illuminiert – mit einer Energie, die es nur von der Sonne und von der Kohle gibt. Aber es war auch das Tor zu einer Welt, in der es kein natürliches Licht gab.


Unsere Lichtkultur

Der Mensch hat Licht kultiviert, so wie er Getreidepflanzen und anderes kultiviert hat. Deswegen passt der Begriff Kunstlicht auch sehr gut! Das Kunstlicht hat mindestens so viele Facetten wie das natürliche Licht. Und überhaupt gibt es eine unüberschaubare Masse an verschiedenen Lichtsituationen, seien sie zweckmäßig gestaltet, zufällig oder ästhetisch, natürlich oder künstlich! Wer einmal einen bewussten Blick aufs Licht entwickelt hat, wird ihn überall einsetzen.

Das kann im Ruhrgebiet sein oder – wie kürzlich bei mir – in Safi, Marokko. Ein Tonbrenner saß in seinem Haus und formte eine Tajine. Das gleisende Tageslicht fiel nur durch ein einziges Loch in der Lehmwand und beleuchtete die Arbeitsstätte. An der Decke hing eine einsame Glühlampe und warf nichts weiter als einen weiteren Schatten. Was für eine Atmosphäre, in der sich die gesamte arabische Lebensart widerspiegelt! Andererseits haben wir hier in der Wüstenstadt dieselbe Herausforderung vor Augen wie in Mitteleuropa: Wie balancieren wir Tages- und Kunstlicht, Energiebedarf und klimatische Anforderungen vernünftig aus? Wie gesagt, wer einmal einen Blick für Licht und Beleuchtung entwickelt hat, wird ihn nicht mehr los. Dann hat einen die Faszination Licht gepackt.


Lichtkonzepte für ein neues Bewusstsein für gutes Licht

Seit der Gladbecker Zechenzeit begleitet mich die Faszination des Lichts. Inzwischen trete ich seit über drei Jahrzehnten professionell für gutes Licht ein. Ich habe auch als Autor das Ziel, Menschen für gutes Licht zu sensibilisieren. Auch wenn es mir beim Schreiben immer um das Vorkommen und den Einsatz von gutem Licht geht, werde ich hier keine wissenschaftliche Erklärung liefern, was denn das Wesen von Licht sei. Zu dieser Frage gibt es andere, sehr informative Bücher (Bartenbach). Mir geht es darum, dass wir ohne diese körperlosen elektromagnetischen Strahlen nicht leben, mit ihrer Hilfe aber unsere Erlebniswelt gestalten können. Für mich stand immer diese Tatsache immer im Vordergrund – Licht bedeutet für uns Beziehung zu gestalten: Beziehung zwischen Körper und Wohlbefinden, zwischen den Menschen untereinander, zwischen Mensch und Umwelt, zwischen Mensch und Architektur.

Vielen Menschen könnte der optimale Einsatz von Tages- und Kunstlicht in ihrer je eigenen Lebenssituation helfen. Obwohl dieses Phänomen in Spezialistenkreisen bekannt und unbestritten ist, gibt es noch keine ausreichende Sensibilisierung, um gutes Licht flächendeckend umzusetzen. Jeder, der sich ernstzunehmend mit Lichtqualitäten in öffentlichen Gebäuden, Firmen und Privathaushalten beschäftigt, weiß, dass man die gängigen DIN-Normen ausweiten müsste, um den bestmöglichen Komfort abzuliefern. Hier bedarf es professioneller Lichtkonzepte, die auf die unterschiedlichen Räumlichkeiten zugeschnitten sind und die Tätigkeiten innerhalb optimal unterstützen.

Mit dem Thema Licht steht es aber so wie mit dem Licht selbst. Es ist nicht offensichtlich, eigentlich unsichtbar. Es ist da und wird nicht wahrgenommen. Außer man erlebt es in seinen Extremen der Farben oder Dunkelheit – wie im Ruhrgebiet. Licht ist aber der naheliegendste, oft sogar kostenlose und nachhaltigste Hebel, an dem man ansetzen kann, um positive Effekte in allen Lebensbereichen zu erzielen. Dies ist die wahre Faszination des Lichts. Und hier setzen wir bei der Erstellung eines Lichtkonzeptes an.

Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, was Lichtplanung eigentlich ist, lesen Sie auch gerne unseren Beitrag über den Weg zum idealen Lichtkonzept.

Um ein neues Bewusstsein für Licht zu wecken, dafür stehe ich morgens auf. Und wenn es sein muss, noch wenn es dunkel ist!

All News