Was ist eigentlich Lichtplanung? Der Weg zum idealen Lichtkonzept
Warum der Standard zu wenig ist
Neben der Währungsunion, der europäischen Freizügigkeit und anderen Identitätsmerkmalen, die uns zu echten Europäern machen, gibt es ein engmaschiges Netz aus Normen, das unsere Staaten zusammenhält. Ich denke hier an die Europäische Normierung, die DIN EN. Sie greift in so gut wie alle Lebensbereiche ein, in der wir leben. Haben Sie sich schonmal gefragt, warum Kuscheltiere so große Augen haben? Von wegen Babyschema – es geht um Sicherheit. Die DIN EN 71 regelt, dass das Fell des Teddys schwer entflammbar ist, dass Kleinteile wie Augen extrem schwer zu lösen sind, dass das Teddyauge dann im Extremfall aber zu groß ist, um verschluckt zu werden.
Unsere Welt ist genormt
Wer beruflich mit Licht zu tun hat, kennt eine ganze Reihe von Normen, für viele Menschen relevant die DIN EN 12193 für Sportstätten. Sie regelt im Wesentlichen, dass alle im Stadion gut sehen müssen, nicht geblendet werden dürfen und eine Fernsehübertragung möglich ist.
Die europäischen Normen waren seit ihrem Bestehen ein Einfallstor für Europakritiker und sorgten häufig schon für medialen Spott: Paradebeispiel war die Normierung der Gurkenkrümmung. Was sich als pedantische Beschäftigungstherapie für EU-Kommissionsmitglieder anhört, sollte schlicht die Transportfähigkeit von Gemüse im internationalen Handel verbessern. Was aufgrund der großen Mengen durchaus nachvollziehbar ist.
Bei vielen Normierungsprozessen – so auch beim Einsatz von Tageslicht und Kunstlicht – wird eine Mindestanforderung formuliert. Besser geht immer, zumal dann, wenn es um das geeignete Lichtkonzept geht.
Reicht mir der Elektroplaner?
Wer für die Lichtanlage zu Hause, in öffentlichen Gebäuden oder Büros einen Elektroplaner anstellt, ist auf der sicheren Seite: Er entwirft ein rein funktionales Konzept, achtet darauf, dass die geltenden DIN-Normen eingehalten werden. Er sorgt für eine energieeffiziente und sichere Elektroinstallation, schließlich betrachtet er Gebäude auf elektrotechnische Weise.
Ich bin aber der Überzeugung, dass hier mehr herauszuholen ist als der Mindeststandard und wir eine komplementäre Betrachtung benötigen, um das Potential von Licht auszuschöpfen. Ein Lichtplaner ergänzt die technische Seite durch Fragen der biologischen, psychologischen und emotionalen Lichtwirkung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass für solch ein Lichtkonzept die minimale Norm weit überschritten werden muss, um den Anforderungen der Bauherren und Benutzern gerecht zu werden.
Der zirkadiane Rhythmus
Energieeffizienz ist, wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben, ein wichtiger Baustein. Aber für die Menschen ist die Anlehnung an den Tages- und Nachtrhythmus – den zirkadianen Rhythmus – von herausragender Bedeutung. Wer die Tagesgestaltung mit einbezieht, plant nicht nur funktional, sondern legt einen Schwerpunkt auf die Tagesstruktur, um sie zu stärken. Den Effekt habe ich für einzelne Bereich schon ausreichend beschrieben: Licht fördert Wohlbefinden, es kann aktivierend und belebend sein oder eben beruhigen und den Organismus runterfahren lassen.
Wie wir Licht gestalten
Ein extrem wichtiger Gestaltungsfaktor von Licht sehe ich in bestehenden Oberflächen. So kann Energie gespart werden, denn was erhellt wird, ist ja nicht die Leuchte, sondern es sind die Dinge im Raum. Genauso verhält es sich mit der Tageslichtplanung. Ich selbst gehe immer vom Tageslicht aus. Wie wird das Licht in die Räume geleitet und wo kann Kunstlicht eingesetzt werden, um Bewohner und Mitarbeiter ausreichend mit Licht zu versorgen?
Gerade für das eigene Zuhause fällt es vielen Menschen schwer, eine Lampe auszuwählen. Ich höre immer wieder, dass die Lampenwahl vom Design abhängt und die Beleuchtung nachher enttäuschend ausfällt. Das ist der Grund, warum ästhetische Herausforderungen und Vorlieben erst mit ins Spiel kommen, wenn der Raum bereits hell ist. Ein Designstück kann immer nur Akzent sein, nie die Basis. Dafür ist es nicht gemacht. Diese Erkenntnis sollte unbedingt im jeweiligen Lichtkonzept miteinbezogen werden.
Der Mensch steht im Zentrum
Viele dieser Arbeitsschritte können nur ansatzweise vereinheitlicht und standardisiert werden. Ich empfehle jedem, der nach gutem Licht sucht, für sich selbst zu formulieren, auf was es ihm ankommt:
- Welche Arbeit wird in dem Gebäude geleistet und zu welcher Tageszeit?
- Welche Technik setze ich dort ein?
- Wie ist der Raum beschaffen und wird er sich in absehbarer Zeit verändern?
- Gibt es feste Arbeitsplätze oder ist der Raum dynamisch angelegt?
Es gibt ein einfaches Rezept, um an gutes Licht zu kommen: Hören Sie Ihrem Lichtplaner zu! Welche Fragen stellen Sie? Gehen Sie auf Ihre persönlichen Ansprüche von selbst ein oder denken sie nur an einen hellen Raum? Licht und Helligkeit sind nur im Zusammenspiel mit den Menschen und ihrer Lebens- und Arbeitswelt sinnvoll. Deswegen steht der Mensch bei einer zeitgemäßen Lichtplanung immer im Zentrum. Der Mensch wird mit seinem individuellem Lebensstil nie komplett normierbar sein, zum Glück! Wenn es uns aber gelingt, für persönliche Anforderungen eine eigene Lichtwelt zu erschaffen, nenne ich das Licht in Vollendung!
Ein Gütesigel für gutes Licht?
Diese Frage ist aber berechtigt: Welchen übergeordneten Maßstab setzen wir dann für gutes Licht an? Welche unabhängigen Parameter müssen erfüllt sein? Nicht nur ich selbst, sondern auch Unternehmen wie Bartenbach wünschen sich ein Gütesiegel, auf das sich die Menschen verlassen können. Die Struktur eines solchen Siegels wäre zu erarbeiten und müsste auf den Schultern der aktuellen Entwicklung stehen. Für mich wäre dies ein weiterer Schritt zu einem Recht auf gutes Licht. Auch für viele Unternehmen in der Industrie, für Büros, Einkaufsläden, für Hotels, für Tagesstätten, Schulen, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen, für Kirchen und Pflegestifte wäre es ein wahrer Gewinn, wenn man die Menschen auf die gute Lichtqualität gesondert aufmerksam machen könnte. Das Ergebnis wird den Menschen nicht entgehen, aber um gutes Licht ins Bewusstsein zu rücken, müsste man es formulieren, ihm zum Ausdruck, zur Sprache verhelfen. Überall dort, wo noch kein Tages-Nacht-Rhythmus berücksichtigt wird, könnte man den Schritt auf eine neue Qualitätsstufe mit einem Gütesiegel leichter kommunizieren.
Unentdecktes Potential – hohe Lichtwirkung
Sicher bräuchte man dafür eine Allianz ausgewiesener Lichtplaner, Architekten, Mediziner, Biologen und Psychologen. Aber vor allem Impulse von außen, von Menschen, die für gutes Licht eintreten: Rektorinnen und Rektoren, die für Ihre Schüler das bestmögliche Licht einfordern; Bauherren, die sich über das Potential von gutem Licht bewusst sind oder Hoteliers, die ihren Gästen guten Extraservice transparent präsentieren möchten. Wie überall, wenn Qualitätserwartungen wachsen, kann ein Konzept für gutes Licht nur gelingen, wenn Produzenten und Verbraucher an einem Strang ziehen. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten öfters erlebt. Viele Produkte waren nicht mehr nachgefragt und haben das Feld für neue Innovationen geräumt. Unterm Strich können dabei alle nur profitieren.
Die positive Lichtwirkung von Licht spricht für sich und braucht keine politische Lobby. Hier genügen viele Menschen, die jeder für sich ein persönliches Interesse haben, von gutem Licht zu profitieren. Wir haben es in vielen verschiedenen Branchen erlebt, welche Effekte ein kommuniziertes Gütesiegel haben kann. Bei Kinderspielzeug hat sich der spiel gut e.V. weitflächig durchsetzen können. Das Vertrauen auf das Siegel ist so groß und die Qualität so seriös, dass sich kaum einer mehr fragen muss, ob die Knopfaugen vom Teddybären gefährlich sind. Das war möglich, weil die Verlässlichkeit so stark ist.
Eine Alternative zum Standard
Um Verlässlichkeit geht es auch bei gutem Licht. Der Einsatz und das Zusammenspiel von Tages- und Kunstlicht unter Berücksichtigung aller Ansprüche und Möglichkeiten ist kaum zu überblicken, sofern man sich nicht intensiv mit diesem Thema beschäftigt hat. Ein Gütesiegel für gutes Licht kann allen Menschen helfen, ein intuitives Gespür dafür zu bekommen, was der eigenen Gesundheit und dem Wohlbefinden guttut.
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Ein Gütesigel wäre nicht nur eine Alternative zum DIN-Mindeststandard, sondern ein sichtbarer Ausdruck dafür, welche große Rolle Licht in unserem Leben spielt.