Stadtbeleuchtung – Leben ohne Sternenhimmel

Ein Foto eines Stadtbezirkes mit sehr hohen Gebäuden und Wolkenkratzern. Das Bild zeigt die Perspektive von unten.

Stadtbeleuchtung – Leben ohne Sternenhimmel

(gekürzter Auszug aus dem Buch „Jeder Mensch hat das Recht auf gutes Licht“ von Frank Nowicki)

Über den verantwortungsvollen Umgang mit Beleuchtung im öffentlichen Raum

Einmal im Jahr zieht es mich ins Nirgendwo, in die arabische Welt oder auf eine Südseeinsel. Denn immer, wenn ich mich in abgelegenen Landstrichen aufhalte, dann nehme ich etwas wahr, was ich in meinem Alltag in den eng besiedelten Großstädten Europas vermisse – den leuchtenden Sternenhimmel. Je dunkler der Himmel ist, umso mehr Sterne können wir beobachten. Aber es gibt Nächte in Berlin, New York oder Tokyo, da können wir aufgrund der Beleuchtung keinen einzigen Stern am Himmel sehen.

Dabei führt uns die Dunkelheit die natürliche Schönheit unseres Himmels vor Augen. Erst wenn man sich die echte Dunkelheit und die Sicht zu den Sternen zurückgeholt hat, fällt einem auf, dass im Alltag etwas fehlt. Die Dunkelheit ist genauso wichtig wie die Helligkeit, die Wertschätzung für das eine gibt es nicht ohne das andere. Mehr noch: Wenn eine Seite unserer Welt fehlt, macht uns das auf Dauer krank. Der Verlust der Sterne in unserem Alltag hat gravierende Folgen.


Light Pollution

Seit den Neunzigerjahren spricht man von Light Pollution – Lichtverschmutzung. Die Ursache liegt auf der Hand: Die Lichtemission in unseren Großstädten ist so massiv, dass sich wahre Glocken aus Licht über ihnen bilden. Von Umweltverschmutzung spricht hier zwar kaum jemand, aber genau darum geht es. Und wie so oft bei ist nicht nur unsere Umwelt davon betroffen, sondern auch der Mensch selbst.

Den größten Negativeinfluss hat die Lichtimmission auf unseren zirkadianen Rhythmus, auf unseren eingespeicherten Tag-Nacht-Zyklus. Davon können Menschen ein Lied singen, die eine dauergeschaltete Straßenlaterne direkt vor dem Schlafzimmerfenster haben. Während wir uns aber im Normalfall durch Jalousien dagegen abschirmen können, ist die Stadtfauna der Lichtverschmutzung radikal ausgesetzt. Heute ist unter Insekten ein wahres Massensterben zu beobachten. Viele Insektenarten sind in den Städten komplett ausgestorben.


Stadtbeleuchtung zum Wohl der Insekten

Verantwortungsvolle Beleuchtung in Städten wird zunehmend systemrelevant. Die starke Lobbyarbeit für Insekten, vor allem für Bienen und Hummeln, könnte eine Chance sein, unsere Stadtbeleuchtung zu optimieren. Die Technik dafür ist längst gegeben, denn ansteuerbare und in ihrem Lichtgrad flexible Komponenten können bei sinnvollem Einsatz für eine artgerechte Beleuchtung sorgen. Auch bei noch funktionsfähiger Stadtbeleuchtung ist also schnelle Reaktion gefragt. Obwohl die Überarbeitung mehrerer Tausend Lichtpunkte eine Investition für Städte und Kommunen bedeutet, ist diese im Verhältnis dazu gering, was es bedeuten würde, die Folgekosten für Natur und Mensch zu tragen.

Die Straßenbeleuchtung ist natürlich notwendig, da eine Stadt auch für die Sicherheit ihrer Bürger verantwortlich ist. Doch häufig werden zu gewissen Zeiten komplett ungenutzte Gehwege durchgehend beleuchtet. Immerhin hat sich hier die nach oben abgeschirmte Beleuchtung weitestgehend durchgesetzt; Modelle, die Licht nicht unnötig in Richtung Himmel ausstrahlen – anders als bei Denkmälern.


Green Branding

Beschließt eine Stadt, wichtige Wahrzeichen für die kommunale Identität und für den Tourismus zu beleuchten, hat dies sicher seine Berechtigung. Häufig hat sich hier die Beleuchtung von unten durchgesetzt. Dadurch hat man eine große Streuwirkung, was zweifellos für eine gewisse leuchtende Aura sorgt, aber eben die höchste Lichtimmission aufweist. Der öffentliche Entscheider muss hier abwägen, was wichtiger ist: ein adäquateres und umweltverträgliches Modell oder die Präsenz der städtischen Symbole?

Anders verhält es sich bei Ladengeschäften oder Industriebauten. Aus Erfahrung und Tradition war man immer daran interessiert, für größtmögliche Wahrnehmung der jeweiligen Marke zu sorgen. Grelle Beleuchtungsgrade, die die ganze Nacht weißes Morgenlicht verbreiten, sorgen etwa dafür, dass die Filialen der Bettbranche einen sicheren Wiedererkennungswert besitzen. Licht bedeutet Macht. So einfach war das.

Gelungene Imagearbeit sieht heute aber viel differenzierter aus. Green Branding heißt hier ein zentrales Schlagwort. Wer verantwortungsbewusst produziert, zu fairen Konditionen handelt oder werteorientiert auftreten will, der muss dafür auch eine geeignete Lichtinszenierung wählen. Gutes Licht ist hier die Chance, Botschaften zu transportieren, die in das Unternehmensimage einzahlen.


Rücksichtsvolle Beleuchtung als Teil des Markenkerns

Ebenso wie bei den Denkmälern heißt das nicht, dass man alle Lichter ausschalten sollte. Wer etwa eine vernünftige Zeittaktung einführt, der macht die unmittelbaren Beobachter eben darin auf die Marke aufmerksam, dass sie immer um 22.30 Uhr abgeschaltet wird. Schon so spät? Man kann solche Maßnahmen ganz ausdrücklich für die externe Kommunikation nutzen. Die Resonanz wird sicher stärker sein als ein Durchleuchten bis 6 Uhr morgens. Wenn alle schlafen, sieht es eh niemand.

Ähnlich verhält es sich auch mit der dezenten Fassadenbeleuchtung, die nach unten abstrahlt. So können ganz neue architektonische Akzente gesetzt und auf das Wesentliche aufmerksam gemacht werden. Statt wilder Streuwirkung, die das Potenzial von Lichtwerbung unnötig am Himmel verpuffen lässt. Emittierendes Licht sollte mehrere Vorzüge haben – für die Marke und für den Menschen. Auch die Ästhetik profitiert davon, wenn Licht funktional eingesetzt wird, denn damit setzt man einen sozialen Gedanken ins Zentrum der Arbeit. Das sollte uns im öffentlichen Raum immer vor Augen sein: Wenn Licht Macht bedeutet, sollten wir es für alle nutzen!

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